Early Stars

Frühe Sterne

Galaxien und Quasare mit schweren Elementen gab es bereits im frühen Universum, wie neue Beobachtungen mit terrestrischen Teleskopen, Radioteleskopen, und dem Hubble-Weltraumteleskop zeigen. Daraus folgen unerwartete Erkenntnisse über die ersten Sterne.

Von Georg Wolschin

In den ersten drei Minuten nach dem Urknall entstanden zunächst nur Wasserstoff, Helium und ein wenig Lithium. Schwerere Elemente - von den Astronomen "Metalle" genannt - wurden deutlich später durch Kernreaktionen im Innern von Sternen erzeugt und bei Supernova-Explosionen am Ende der Sternentwicklung im All verteilt. Neue Beobachtungen beschäftigen sich jetzt mit der Frage, wann und wie die Elementsynthese in Sternen, und die Anreicherung der Elemente in den Galaxien im Verlaufe der Entwicklung des Universums begann. Die Astronomen benutzen dabei ganz unterschiedliche Instrumente: terrestrische Teleskope (wie Keck I und II auf Hawaii oder das VLT in Chile) mit Spektrometern, das Hubble-Weltraumteleskop, und die Radioteleskope IRAM (Institut de Radioastronomie Millimétrique) auf dem Pico Veleta bei Granada in Spanien, und VLA (Very Large Array) in Neu Mexiko.

Die Beobachtung von schweren Elementen als Nukleosynthese-Produkten ausserhalb unserer Milchstraße ist ein äusserst schwieriges Unterfangen, das hochempfindliche Apparaturen und auch günstige Bedingungen wie etwa Lichtverstärkung durch eine Gravitationslinse, oder helles Quasar-Hintergrundlicht erfordert. Im jetzigen Entdeckungs-Reigen gelang es mehreren Gruppen erstmals, große Gruppen schwerer Elemente auch weit ausserhalb unserer Galaxis und ihrer Nachbargalaxien aufzuspüren. Ältere Beobachtungen bei Galaxien mit hohen Rotverschiebungen waren auf wenige Elemente leichter als Eisen beschränkt geblieben.

Junge Protogalaxie bei z=2,6

Bei einer weit entfernten Protogalaxie mit einer Rotverschiebung von 2,6 - entsprechend einem Alter des damals jungen Universums von etwa 2,5 Milliarden Jahren - war es das Hintergrundleuchten eines hellen Quasars, das einer amerikanischen Astronomengruppe um Jason Prochaska hochsensitive spektroskopische Messungen von mehr als 25 Nukleosynthese-Produkten ermöglichte. Dieser Quasar hat eine Rotverschiebung von 2,7, das von ihm ausgesandte Licht wird in seiner Wellenlänge also durch die Expansion des Universums um das 3,7(1+z)fache gedehnt, bevor es uns über 11 Milliarden Jahre später erreicht. Auf dem Weg passiert es die Protogalaxie und wird dort teilweise von den Elementen absorbiert, die jetzt gefunden und deren Absorptionslinien im Detail untersucht worden sind.

Die Protogalaxie - vermutlicher Vorläufer einer elliptischen Galaxie - war im Jahre 2000 entdeckt worden. Ein erstes Spektrum mit moderater Auflösung nahmen die Astronomen mit dem Keck II-Teleskop auf dem Mauna Kea in Hawaii im Rahmen eines groß angelegten Programms zur Untersuchung der chemischen Entwicklung des Universums auf. Sie fanden ungewöhnlich starke Metall-Absorptionslinien und untersuchten sie anschließend mit dem Hires-Spektrographen am Keck I-Teleskop im Detail und bestimmten die Elementhäufigkeiten (Bild 1). Unerwartet ähneln sie deutlich denjenigen in unserem Sonnensystem; es scheint tatsächlich universelle Gesetze für die Elementsynthese zu geben, die in jungen und alten Galaxien gleichermaßen gelten.

Die Gegenwart von Elementen auch jenseits des Eisens - wie Nickel, Gallium, Krypton, Zinn und Blei - in einer "jungen" Galaxie im frühen Universum kommt zunächst überraschend. Sie bedeutet, dass die Sternentstehung und die damit einhergehende Elementsynthese kurze Zeit nach dem Urknall und relativ rasch erfolgt sein muss. Dies deutet auf Elementsynthese in massiven Sternen von 15 und mehr Sonnenmassen, die kurze Lebensdauern von wenigen Millionen Jahren haben, bevor sie als Supernovae enden und die erzeugten Elemente in der Galaxie verstreuen. Darauf deutet auch die Anwesenheit von Sauerstoff, Magnesium und Schwefel in der Galaxie: Elemente, die typischerweise in sehr schweren Sternen erzeugt werden.

Andere Elemente wie Germanium geben erhebliche Rätsel auf, weil sie eigentlich in Sternen niedriger Masse und langer Lebensdauer (einige Milliarden Jahre) erzeugt werden müssten - was hier jedoch unmöglich ist. Es sind sicherlich neue Untersuchungen bei anderen weit entfernten jungen Galaxien nötig; geschätzte 2 Prozent aller Galaxien bei hohen Rotverschiebungen eignen sich für derartige Studien von Elementhäufigkeiten. Zweifellos werden sie neue Erkenntnisse über Elemententstehung und Sternbildung im frühen Universum liefern.

Quasare im Infraroten..

Quasarlicht kann nicht nur zur Aufnahme von Absorptionsspektren in Vordergrundgalaxien benutzt werden, sondern auch zur Untersuchung der Elemententstehung in den Quasi-Stellaren Objekten selbst. Diese leuchtkräftigsten Objekte aus der Frühzeit des Universums beziehen ihre sehr große Strahlungsenergie nach heutigem Kenntnisstand aus dem Einfall von Materie in supermassive schwarze Löcher in den Zentren. In einer Arbeit, die im April im "Astrophysical Journal" publiziert wurde (Band 587, L67), haben drei Astronomen von der Europäischen Südsternwarte ESO, dem Space Telescope Science Institute in Baltimore und der Western Michigan Universität das NICMOS-Instrument (Near-Infrared Camera and Multi-Object Spectrometer) des Hubble-Weltraumteleskops benutzt, um Spektren dreier Quasare mit Rotverschiebungen zwischen 5,7 und 6,3 aufzunehmen.

Die Spektren erfassen Emissionslinien von Metallen im Ultraviolett-Bereich mit Wellenlängen zwischen 160 und 280 Nanometern, die entsprechend der Raumexpansion ins Infrarote verschoben sind (Bild 2). Insbesondere die Spektrallinien von zweifach ionisiertem Kohlenstoff (190,9 Nanometer Ruhewellenlänge) und einfach ionisiertem Magnesium (280 Nanometer) sind deutlich sichtbar. Dazwischen liegt um 250 Nanometer ein schwächer ausgeprägter Linienkomplex von einfach ionisiertem Eisen, dessen Linienstärke (relativ zur Magnesiumlinie) mit der von Quasaren bei niedrigeren Rotverschiebungen übereinstimmt.

Das hatten vor kurzem auch Messungen mit terrestrischen Teleskopen wie dem VLT in Chile durch Matthias Dietrich von der Georgia State Universität in Atlanta und seine Kollegen aus den USA und von der Landessternwarte Heidelberg an Quasaren mit Rotverschiebungen zwischen 3,4 und 5,0 gezeigt (Astronomy and Astrophysics Band 398, Seite 891 (2003) und Astrophysical Journal, im Druck). Das Verhältnis der Häufigkeiten von Eisen zu Magnesium stimmt dort annähernd mit dem solaren Wert überein; der Metallgehalt hängt nicht stark von der Rotverschiebung ab er erreicht im Mittel den 4,3-fachen Wert (±0,3) unseres Sonnensystems.

Demnach gibt es keine wesentlichen Veränderungen im Metallgehalt von Quasaren und offenbar auch deren (optisch hier nicht mehr nachweisbaren) Wirtsgalaxien bis zurück zu Zeiten von etwa einer Milliarde Jahren nach dem Urknall. Chemisch mit schweren Elementen angereicherte Galaxien bildeten sich also bereits bei Zeiten deutlich unter einer Milliarde Jahren nach dem Urknall.

Nimmt man nun übereinstimmend mit akzeptierten Theorien der Nukleosynthese an, dass im wesentlichen Sterne, die als Supernovae vom Typ Ia explodieren, die Ursache der Erzeugung und Verteilung der Metalle um Eisen waren, so müssen die Vorläufersterne, in denen diese Elemente erzeugt worden sind, bei Rotverschiebungen von 20±10 entstanden sein. Die Supernovae werden dabei von Sternen relativ niedriger Masse nach Massenakkretion von einem Begleitstern ausgelöst, während Typ II den natürlichen Endpunkt der Entwicklung junger, massereicher Sterne darstellt; von diesem Typ war beispielsweise auch die 1987 beobachtete helle Supernova in der Großen Magellanschen Wolke, einer nahen Begleitgalaxie unserer Milchstraße.

..und im Radiobereich

Sternbildung und Elemententstehung in Wirtsgalaxien von Quasaren im frühen Universum lässt sich unter günstigen Bedingungen auch anhand der Radioemissionen untersuchen. Molekulare Spektrallinien sind bei einer Reihe von Quasaren entdeckt worden, insbesondere wurde eine starke Kohlenmonoxid-Linie (Frequenz im Ruhesystem 230,5 Gigahertz) mit dem Very Large Array in Socorro/Neu Mexiko nachgewiesen. Beim QuasarPSS 2322+1944 entspricht das unter Berücksichtigung seiner hohen Rotverschiebung von 4,12 einer gemessenen Radio-Frequenz von 45 Gigahertz. (astro-ph/0304124).

Der internationalen Astronomengruppe um Chris Carilli kam dabei der Gravitationslinsen-Effekt einer Vordergrundgalaxie in der Sichtlinie zur Erde zugute, der die Strahlung zu einem sogenannten Einstein-Ring (Bild 4) beugt und einen unerwartet detaillierten Einblick in die Gasverteilung im Quasar ermöglicht. Aus der Größe des Rings von 1,5 Bogensekunden und seiner Position relativ zur optischen Abbildung des Quasars lässt sich ableiten, dass Gas und Staub im Quasar auf eine ausgedehnte Scheibe von etwa 12000 Lichtjahren Durchmesser verteilt sind. Das zentrale schwarze Loch mit umgebendem heissem Gas ist dagegen auf eine Zentralregion von wenigen Lichttagen Durchmesser beschränkt.

Demnach ist der Staub und das molekulare Gas, dessen Emissionen gemessen werden, wesentlich nicht vom aktiven galaktischen Kern, sondern durch Sternentstehung aufgeheizt worden. Aus der gemessenen Infrarothelligkeit lässt sich abschätzen, dass dort Sterne von jährlich insgesamt 900 Sonnenmassen entstehen.

Bei einer derartigen Sternentstehungsrate kann sich ein wesentlicher Anteil der Sterne in einer großen elliptischen Galaxie von weniger als 100 Millionen Jahren bilden - möglicherweise gleichzeitig mit der Bildung des supermassiven schwarzen Loches im Zentrum. In diesen Sternen der ersten Generation können bereits, wie die anderen Ergebnisse gezeigt haben, die schweren Elemente synthetisiert (und in Supernova-Explosionen verteilt) werden, aus denen der Staub und insbesondere auch das Kohlenmonoxid-Gas bestehen. Dabei sind die Anreicherungsraten ganz ähnlich, wie heute - 13,6 Milliarden Jahre danach - im interstellaren Gas uns benachbarter Galaxien.

Wärmestrahlung von Quasaren wurde von der Forschergruppe aus Deutschland, Frankreich und den USA in den letzten vier Jahren auch mit dem Bolometer MAMBO (Max Planck Millimeter Bolometer) am 30-Meter-Radioteleskop IRAM auf dem Pico Veleta bei Granada in Spanien untersucht. Die Messungen der Wärmestrahlung hatten bereits gezeigt, dass die Sternentstehungsrate in Quasaren tausendmal höher als in normalen Galaxien wie der Milchstraße ist; dennoch fehlte dort ein direkter Beweis für die Sternentstehung im frühen Universum. Erste Ansätze dazu gibt es jetzt.

Im Rahmen der IRAM-Beobachtungen gelang es der Gruppe um Frank Bertoldi vom Bonner Max Planck Institut für Radioastronomie auch noch, den bisher mit einer Rotverschiebung von 6,4 am weitesten von uns entfernten Quasar zu finden (Bild 4). Auch hier ließen sich große Mengen Staub nachweisen, aus dem neue Sterne entstehen. Einen Gravitationslinsen-Effekt gibt es hier jedoch nicht, so dass die Messungen weniger detailreich sind.

Frühe Sterne und Hintergrundstrahlung

Die von den ersten Sternen im Universum ausgesandte hochenergetische (ultraviolette) Strahlung ionisierte den umgebenden Wasserstoff, es enstanden freie Elektronen. Dadurch wurde das Licht, das sich seit der Bildung neutraler Atome 379000 Jahre nach dem Urknall bei einer Rotverschiebung von 1089 frei ausbreiten konnte, an den Elektronen gestreut und dabei polarisiert (Thomson-Streuung): Es gibt bevorzugte Schwingungsebenen des Lichts.

Tatsächlich konnte eine solche Polarisation der heute im Mikrowellenbereich bei einer Temperatur von nur 2,73 Kelvin nachweisbaren kosmischen Hintergrundstrahlung sowohl mit dem stationären Mikrowellen-Teleskop DASI in der Antarktis in einem vergleichsweise kleinen Himmelsbereich, als auch mit dem 2002 gestarteten Satelliten WMAP in der gesamten Sphäre gemessen werden.

Aus der Korrelation zwischen den kürzlich mit WMAP untersuchten Temperaturanisotropien (siehe Spektrum der Wissenschaft 5, 2003) und der Polarisation der Hintergrundstrahlung lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, wann diese Reionisierung passierte. Demnach setzte sie bei einer Rotverschiebung von 20 ein, also 180 Millionen Jahre nach dem Urknall ­ etwa 500 Millionen Jahre früher als bisher gedacht.

Zwar ist die Fehlerschranke dieses Wertes mit +220/­80 Millionen Jahren noch sehr groß, aber dennoch ist der Wert in ausgezeichneter Übereinstimmung mit der geschilderten Altersbestimmung für Sterne der ersten Generation in z‰=6 Quasaren mit dem Hubble Weltraumteleskop: Hier zeigt sich eine bemerkenswerte Konsistenz der neuen Forschungsergebnisse zum frühen Universum, deren Präzision in naher Zukunft noch deutlich verbessert werden dürfte.

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Bild 1: Elementhäufigkeiten(Fig.2., blaue Punkte) in einer Galaxie mit Rotverschiebung z=2,63 (etwa 2,5 Milliarden Jahre nach dem Urknall) im Vergleich zu denjenigen in unserem Sonnensystem (schwarze Punkte). Rote und grüne Pfeile zeigen untere und obere Grenzen an. Die Elementverteilungen sind unerwartet ähnlich.

Bildquelle: J.X. Prochaska et al., Nature 423, 57 (2003)

Bild 2: Drei mit dem Hubble Weltraumteleskop aufgenommene Quasarspektren(Fig.1) bei Rotverschiebungen z=5,82, 6,28 und 5,78 zeigen ausser Kohlenstoff- und Magnesiumlinien auch einen Spektrallinien-Bereich, der von einfach ionisiertem Eisen herrührt. Demnach werden alle Elemente bis zum stabilsten (Fe) bereits in Sternen der ersten Generation im frühen Universum synthetisiert. Die obere Skala gibt jeweils die Wellenlänge im Labor, die untere bei der Beobachtung des Quasars an.

Bildquelle: W. Freudling et al., The Astrophysical Journal 587, L67 (2003).

Bild 3: Bei einer Rotverschiebung von z=6,4 konnte der bisher am weitesten von der Erde entfernte Quasar SDSS J1148+5251 nachgewiesen werden. Die Beobachtung großer Mengen Staub, aus dem sich neue Sterne bilden, weist auf hohe Sternentstehungsraten nur etwa 700 Millionen Jahre nach dem Urknall hin. Der Quasar ist im Bildzentrum, die anderen Objekte sind Vordergrund-Galaxien. Die Konturlinien zeigen die Strahlungs-Intensität bei Millimeter-Wellenlängen, wie sie mit dem MAMBO-Bolometer am 30-Meter-Radioteleskop IRAM gemessen wurde.

Bildquelle: F.Bertoldi et al., MPI f. Radioastronomie, Bonn.

Bild 4: Gravitationslinsen-Modell, Fig 4 für die CO-Emissionen eines Quasars mit Rotverschiebung 4,12. Der Einstein-Ring hat einen Durchmesser von 1,5 Bogensekunden.

Bildquelle: F.Bertoldi et al., MPI f. Radioastronomie, Bonn. (Sloan Digital Survey.- Bild aus MPI-PR, PRI SP 4/2003 (36), Abb.1; via www.mpg.de)

Siehe Spektrum d. Wissenschaft 08 (2003) für den redigierten und illustrierten Artikel.

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